Die Pflegekrise fordert Berater heraus

(Erschienen in der Immobilienzeitung am 2. Mai 2024; Ausgabe 18/2024)

Ein extrem schwacher Umsatz auf dem Transaktionsmarkt für Pflegeheime bedeutet nicht, dass die Immobilienvermittler Däumchen drehen – im Gegenteil. Die Anfragen werden komplexer, sagt Ricardo Neumann, Chef der Hamburger Beratungsgesellschaft DIMP.

Wer mit der Vermittlung von Gesundheitsimmobilien sein Geld verdient, muss flexibel sein. Die Transaktionsvolumen sind seit vielen Quartalen deutlich unterdurchschnittlich. »In den zurückliegenden Jahren hat der Transaktionsmarkt der Seniorenimmobilien gut funktioniert, auch weil das Fremdkapital kaum Geld gekostet hat und der Investitionsdruck hoch war«, erinnert sich Ricardo Neumann, geschäftsführender Gesellschafter der Beratungsgesellschaft DIE IMMOBILIEN PARTNER Hamburg GmbH (DIMP). Heutzutage ist das anders. Projektentwickler, Käufer und Verkäufer bewegen sich in einem Umfeld mit deutlich erhöhten Zinsen und Gestehungskosten. Hinzu kommen verstärkt wirtschaftliche Probleme der Pflegeheimbetreiber und anhaltend hohe Preisvorstellungen der Immobilienverkäufer. Die Folge: Viele Investorensind zurückhaltend.

Regional gut vernetzte Betreiber sind im Vorteil

Doch arbeitslos fühlt sich DIMP-Chef Neumann nicht. »70 % unserer Tätigkeit besteht nun darin, Eigentümer von Immobilienbeständen oder auch Projektentwickler mit stabilen und zuverlässigen Betreibern zusammenzubringen«, erzählt er. Teils sind der Vermittlung bereits Betreiberinsolvenzen in laufenden Objekten vorangegangen, »manchmal springt der ursprünglich anvisierte Betreiber auch schon vor Fertigstellung des Projekts kurzfristig ab«. Nur 30 % seines Berufsalltags verbringt Neumann mit dem klassischen Transaktionsgeschäft, »aber nicht etwa mit Objekten im Core-Bereich«. Core-Bestandsobjekte mit einem Kaufpreisfaktor jenseits von 20 finden Neumann zufolge keine Abnehmer. Bei Neubauten seien die Gestehungskosten noch zu hoch.

Für das erste Quartal 2024 meldet DIMP Fortschritte bei fünf Projekten. »Die Anzahl entspricht zwar dem üblichen Arbeitsaufkommen«, erklärt Neumann. »Jedoch hat die Brisanz und die Komplexität der Themen in diesen Beauftragungen deutlich zugenommen.« In Nordhorn etwa hat die Hansa-Gruppe den Betrieb der Seniorenresidenz am Vechtesee aufgegeben. DIMP und Riag kümmerten sich im Auftrag des Eigentümers, eines Fonds, der von Pecura Anleger- und Treuhandservice betreut wird, um eine Lösung für die verbliebenen Bewohner und die Zukunft des Standorts. Um diesen langfristig zu sichern, hätte DIMP zufolge massiv in den Bestand investiert werden müssen. Dies hätte einen zweistelligen Millionenbetrag für den Eigentümer bedeutet. Daher entschied sich der Fonds für den Weg, die Anlage mit stationärer Pflege und betreutem Wohnen an die GMP Gruppe aus Nordhorn zu verkaufen. Nach der Sanierung entwickelt GMP daraus ein Quartier mit einer Kita und zwei bis drei ambulanten Wohngruppen, einer Tagespflege, Räumen für einen ambulanten Dienst sowie bis zu 100 Servicewohnungen. Die Verträge der jetzigen Mieter im betreuten Wohnen werden ins neue Konzept integriert. Der ortsansässige Pflegedienst Vechtetal Pflege übernimmt pflegerische sowie hauswirtschaftliche Dienstleistungen.

Auf eine besonders lange Abstimmungsphase unter allen Projektbeteiligten blickt Neumann in seiner Rolle als Bauherrenvertreter derweil bei einem Seniorenwohnprojekt in Hamburg- Tonndorf zurück. Nach etwa 14 Monaten liegt dem Bauherrn, einem Hamburger Family-Office, nun die Baugenehmigung vor. Es will voraussichtlich bis 2026 auf einem Erbbaugrundstück am Roterlenweg 30 Wohnplätze sowie Tagespflege errichten. Als Betreiber tritt Renafan auf.

Das Berliner Unternehmen hat auf Empfehlung von DIMP auch den Zuschlag für den Betrieb einer Seniorenwohnanlage an der Marienallee 10 in Dresden erhalten. 24 Wohngemeinschaftszimmer, 69 Service-Wohnungen für noch recht fitte Bewohner und 20 Plätze in der Tagespflege gehören zum dortigen Angebot. Und auch im Seniorenquartier von Hamburg Team Investment Management (HTIM) in Neu Wulmstorf übernimmt Renafan den Betrieb des Seniorenquartiers mit 62 Servicewohnungen, 24 ambulanten Wohngemeinschaftsplätzen sowie einer Tagespflege mit Platz für 16 Personen. Zuvor war dafür Convivo vorgesehen, die jedoch Insolvenz anmelden musste.

Bei der Auswahl der empfohlenen Betreiber schaut sich DIMP nicht nur die Geschäftszahlen an. »Sehr oft sind mittelständische Betreiber, die in der Region gut vernetzt sind und Synergien heben können, eine gute Wahl«, rät Neumann. Ein Beispiel liefere die Isa-Gruppe aus Koblenz, die in Lahnstein in dem von HTIM realisierten Rheinquartier als Pflegedienstleisterin und Quartiersmanagerin aktiv ist. Dabei geht es um 104 barrierefreie Servicewohnungen, 24 Plätze in ambulant betreuten Wohngemeinschaften sowie 13 Ein- und Zweizimmerapartments für die Urlaubspflege. Auch hier war ursprünglich Convivo als Manager angedacht.

Neumann blickt auch für die kommende Zeit in ein gut gefülltes Auftragsbuch. »Uns liegen noch zahlreiche Anfragen von Betreibern, Eigentümern und Projektentwicklern vor«, berichtet er. Dabei gehe es nicht immer um eine Betreiberinsolvenz. Auch die Kaufzurückhaltung der Investoren und risikoscheue Banken treiben die Projektentwickler um. »Dort sind wir dabei, Vehikel zur alternativen Finanzierung dieser Projekte zu strukturieren.«

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